Buttenheim (Oberfranken/Bayern)

Generalstabskarte von 1893 Datei:Buttenheim in BA.svg Buttenheim ist heute ein Markt mit ca. 3.300 Einwohnern im Landkreis Bamberg und liegt im Regnitztal zwischen Bamberg und Nürnberg (Ausschnitt aus Generalstabskarte von 1893, aus: altendorf-gemeinde.de  und  Kartenskizze 'Landkreis Bamberg', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Vermutlich hat es bereits um 1450 eine Anwesenheit von Juden im Dorf Buttenheim gegeben. Eine erste urkundliche Nennung stammt von 1593; hierbei soll es sich um ortsfremde Juden gehandelt haben, die bei ihren Handelsaktivitäten das Dorf betreten hatten. Ab ca. 1670 erlaubten die Herren von Stiebar einigen Familien, sich auf dem Gelände des 1525 im Bauernkrieg zerstörten Schlosses anzusiedeln. Gegen Ende des 18.Jahrhunderts „gehörten“ die in Buttenheim lebenden Juden verschiedenen Herren; denn innerhalb des Dorfes gab keine einheitliche Grundherrschaft.

Ein erster Betraum soll sich bereits in den Ruinen der zerstörten Schlossanlage befunden haben. Um 1740 erbaute die inzwischen angewachsene Judenschaft Buttenheims ein einstöckiges Gebäude, das neben einer Synagoge - der Frauenraum war durch ein hölzernes Sichtgitter abgetrennt - auch über eine Mikwe, eine Religionsschule und eine Herberge für durchreisende Juden verfügte. Die jüdische Gemeinde in Buttenheim hatte damals auch einen eigenen Rabbiner.

Blick auf den Thora-Schrein (hist. Aufn., um 1928, aus: Th. Harburger)

Religiös-rituelle Aufgaben der Gemeinde wurden von einem angestellten jüdischen Lehrer verrichtet.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20142/Buttenheim%20Israelit%2024021875.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2089/Buttenheim%20Israelit%2019041882.jpg

gemeindliche Stellenangebote in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 24.Febr. 1875 und vom 19.April 1882

Um 1820 wurde weit vor dem Ort ein jüdischer Friedhof angelegt; zuvor hatten die hiesigen Juden ihre Verstorbenen auf dem ca. 20 Kilometer entfernten Friedhof in Zeckern beerdigt. Die Anlage der lokalen Beerdigungsstätte war mit finanzieller Unterstützung der jüdischen Gemeinden Hirschaid und Gunzendorf erfolgt, wobei Hirschaid im Grundbuch als Eigentümerin des Geländes eingetragen war.

Die jüdische Gemeinde gehörte Anfang des 19. Jahrhunderts einige Jahre zum Bezirksrabbinat Adelsdorf; seit Ende des 19. Jahrhundert zum Bezirksrabbinat Bamberg.

Juden in Buttenheim:

         --- um 1670 .......................   4 jüdische Familien,

    --- um 1765 .......................  44     “       “    ,

    --- um 1810 ....................... 176 Juden (ca. 21% d. Dorfbev.),

    --- 1824/25 ....................... 174   “  ,

    --- 1867 ..........................  73   “  ,

    --- 1875 ..........................  60   “  ,

    --- 1892 ..........................   5 jüdische Familien,

    --- 1900 ..........................  11 Juden,

    --- 1910 ..........................  19   “  ,

    --- 1925 ..........................  17   “  ,

    --- 1933 ..........................  18   “  ,

    --- 1939 (Jan.) ...................   4   “  ,

             (Juni) ...................  keine.

Angaben aus: Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942), S. 130

und                 Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 123

 

In den Matrikellisten (Mitte der 18203er Jahre) waren für Buttenheim 36 Haushaltsvorstände verzeichnet. Die Juden Buttenheims lebten damals vom Pferde- und Viehhandel, übten Kleinhandel aus und waren aber auch als Handwerker und Landwirte tätig. Bereits ab den 1830er Jahren setzte dann eine deutliche Ab- und Auswanderung ein, die vor allem wirtschaftliche Ursachen hatte. Zu den Auswanderern gehörten damals auch zahlreiche christliche Familien.

Mit der Aufhebung der Matrikelgesetze beschleunigte sich die Abwanderung in die größeren Städte noch. Als Anfang der 1890er Jahre in Buttenheim nur noch fünf männliche Gemeindemitglieder lebten, war der Zeitpunkt für die Auflösung der jüdischen Gemeinde gekommen; die übriggebliebenen Angehörigen wurden der Kultusgemeinde Hirschaid angeschlossen. Die Buttenheimer Synagoge blieb ab 1892 ungenutzt, erst 1936/1937 ging das Gebäude in Privatbesitz über, es wurde von einer Brauerei gekauft. Zuvor waren die Kultgegenstände - darunter einige von großem Wert - in die Bamberger Synagoge gebracht worden. Während des Novemberpogroms sollen sie dort zerstört worden sein.

Die wenigen, noch in Buttenheim lebenden Juden waren in den 1920er Jahren Ziel antisemitischer Attacken - Drohbriefe, Einwerfen von Fensterscheiben - seitens des lokalen „Wehrtrupps des Deutschen Wandervereins im Bund Bayern und Reich”. Ab 1933/34 wurde auch in Buttenheim die Ausgrenzung der jüdischen Ortsbewohner staatlich sanktioniert. Man erließ ein Verbot, in ihren Geschäften einzukaufen und stellte am Ortseingang Tafeln mit der Aufschrift „Juden sind nicht erwünscht!” auf. Zu Kriegsbeginn lebten in Buttenheim bereits keine jüdischen Bewohner mehr, denn die letzte Familie hatte den Ort Anfang Juni 1939 verlassen und war nach Großbritannien emigriert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden vier aus Buttenheim stammende Jüdinnen Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/buttenheim_synagoge.htm).

 

Das 1937 veräußerte Synagogengebäude wurde nach dem Verkauf völlig umgestaltet und zunächst als Stall, danach als Lagerhalle verwendet. Heute sind vom originalen Bau nur noch Mauerwerksreste erhalten.

Nur der vor dem Ort liegende jüdische Friedhof mit seinen fast 300, zumeist alten Grabsteinen und einem Tahara-Haus erinnert noch daran, dass Buttenheim einst Heimat einer ansehnlichen jüdischen Gemeinde war.


Blick auf den jüdischen Friedhof und Taharahaus (Aufn. Jan Eric Loebe, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2097/Buttenheim%20Friedhof%20211.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2097/Buttenheim%20Friedhof%20212.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2097/Buttenheim%20Friedhof%20214.jpg Grabstein-Ornamentik (Aufn. J. Hahn, 2007)

Im Herbst 2000 eröffnete in Buttenheim das „Levi-Strauss-Museum“ seine Pforten. In dem aufwändig restaurierten Geburtshaus von Levi (Löb) Strauss, dem „Erfinder“ der Blue Jeans, erhält der Besucher u.a. Einblicke in das jüdische Leben auf dem Lande (Aufn. aus: levi-strauss-museum.de).

 Löb (Levi) Strauss wurde am 26.Februar 1829 im fränkischen Buttenheim geboren. Sein Vater betrieb einen wenig gewinnbringenden Hausierhandel mit Tuchen und Kurzwaren. Als nach dessen Tode die kinderreiche Familie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, wanderte sie in die USA aus, wo die älteren Söhne sich bereits eine Existenz aufgebaut hatten. Löb - hier nannte er sich Levi - war ab 1853 amerikanischer Staatsbürger und erlernte nun den Kaufmannsberuf. Im Gefolge des Goldrausches, der ganz Amerika erfasste, ging Levi Strauss von der Ostküste nach Kalifornien und gründete hier ein Handelsunternehmen, das die Minenarbeiter mit allen lebensnotwendigen Dingen, auch Baumwollkleidung, versorgte. Gemeinsam mit dem Schneider Jacob Davis aus Reno ließ sich Strauss eine mit Nieten verstärkte Arbeitshose patentieren, die sich durch Belastbarkeit und Langlebigkeit auszeichnete: das war die Geburtsstunde der Jeans. Der unverheiratete Levi Strauss übergab 1890 die Firma seinen Neffen Jakob, Sigmund, Louis und Abraham Stern. Bis zu seinem Lebensende unterstützte Levi Strauss finanziell mehrere jüdische Wohlfahrtsorganisationen und stiftete auch zahlreiche Stipendien für die University of California in Berkeley, die auch heute noch verteilt werden. 1902 verstarb Levi Strauss. Der Name „LEVI’s” ist bis auf den heutigen Tag - mehr als ein Jahrhundert nach dem Tod seines „Erfinders“ - der Inbegriff für Jeans.

Vor seinem Geburtshaus in Buttenheim steht heute eine Bronzestatue von Levi Strauß (siehe Abb. oben).

 

 

In dem Dörfchen Gunzendorf (heute ein Ortsteil von Buttenheim) hat es bis in die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde gegeben, deren Wurzeln in der Mitte des 15.Jahrhunderts gelegt worden waren. Die Gemeinde setzte sich stets nur aus einer überschaubaren Anzahl von Familien zusammen; um 1800/1810 waren es zehn. Bei der Erteilung der Matrikelstellen (1824) waren für das Dorf zwölf Familienvorstände aufgelistet. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten ein Betraum, eine Mikwe und ein Schlachthaus. Zeitweilig soll die kleine Gemeinde auch einen eigenen Lehrer beschäftigt haben (?). Um 1850 lebten nur noch ca. 20 Juden im Dorf. In den Folgejahrzehnten ging die Zahl der jüdischen Bewohner weiter zurück, so dass bereits 1890 keine Juden mehr in Gunzendorf lebten.

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 123/124

Gerhard Wilhelm Daniel Mühlinghaus, Der Synagogenbau des 17. u. 18.Jahrhunderts im aschkenasischen Raum, Dissertation, Philosophische Fakultät Marburg/Lahn, 1986, Band 2, S. 85 - 86

Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942). Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt Bamberg, Bamberg 1988, S. 128 f. und S. 395

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 212/213

Eva Groiss-Lau, Jüdisches Kulturgut auf dem Land. Synagogen, Realien und Tauchbäder in Oberfranken, Hrg. Klaus Guth, Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1995, S. 39

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Buttenheim, in: "Der Landesverband der Israel. Kultusgemeinden in Bayern", 11.Jg., No. 75/1997, S. 17

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern. Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 134/135

Buttenheim, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie und zahlreichen Aufnahmen vom jüdischen Friedhof)

Gunzendorf, in: alemannia-judaica.de

Barbara Spies, Jüdische Binnen- und Übersee-Wanderung aus dem Bamberger Land im 19.Jahrhundert, in: Klaus Guth (Hrg.), Deutsche - Juden - Polen zwischen Aufklärung und Drittem Reich, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2005, S. 71 ff.

M.Brumlik/R.Heuberger/C.Kugelmann (Hrg.), Reisen durch das jüdische Deutschland, DuMont Literatur- u. Kunstverlag, Köln 2006, S. 94

A. Hager/H.-Chr. Haas, Buttenheim, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2007, S. 112 - 117

Biografie von Levi Strauss, in: levi-strauss-museum.de

N.N. (Red.), Buttenheim – der Geburtsort von Levi Strauss, in: haGalil.com vom 20.4.2017

Heiner Gremer (Red.), Neue Ausstellung: Judentum in Buttenheim, in: "BR24" vom 15.3.2018

Sonderausstellung: Levi-Strauss-Museum zeigt das "Judentum in Buttenheim", in: "Sonntagsblatt" vom 3.5.2018

Christian Klösch, Levi Strauss (1829 - 1903) - der Erfinder derJeans, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", Heft 120 (April 2019)